FragenandiePiraten

die bergpartei hat der piratenpartei 8 fragen gestellt.

der pirat fabio reinhardt hat sie am 21.09.2009 beantwortet:

>viele finden euch als partei nicht wählbar, weil ihr nur eine ein-thema-partei zu sein scheint. man wünscht sich, dass ihr zu allen anderen themen position bezieht, auch wenn ihr auf anderen feldern vielleicht nicht so profis seid.

Wer den Wahlomaten der Bundeszentrale der Politischen Bildung bedient,
sieht, dass wir zu zahlreichen Themen Stellung beziehen. Richtig ist,
dass Positionen bei uns erst ins Kernthemen-Parteiprogramm kommen,
wenn wir uns wirklich sicher sind, dass wir gute Kompetenzen auf dem
Gebiet haben und sinnvolle Lösungsansätze zu bieten haben.
Bei der Frage, warum wir aktuell nicht zu jedem gesellschaftlichen
Problem Stellung beziehen, sollten wir im Auge behalten, warum die
Piratenpartei überhaupt entstanden ist. Die europaweite Gründung im
Jahre 2006 war ein Ausdruck des Protest gegen eine Fehlsteuerung in
der gesamten europäischen Politik im Bereich Bürgerrechte,
Monopolbildungen und Umgang mit Neuen Medien. Um diese falsche Politik
zu korrigieren, gegen die sich übrigens auch vorher schon viele
Piraten in anderen Organisationen engagiert haben, entschied man sich
nach langer Diskussion, diesen Protest auch auf die parlamentarische
Ebene zu heben. Um unsere Themen möglichst schnell möglichst weit nach
vorne zu bringen - was uns aktuell ja auch schon recht gut gelingt -
haben wir entschieden, uns erstmal vor allem auf diesen Kernthemen zu
konzentrieren. Die Erfahrungen mit FDP, Grünen und Linkspartei zeigen,
dass es ansonsten in Koalitionsverhandlungen schnell dazu kommt, dass
man sich die Bürgerrechte wegverhandeln lässt.

> eure thematische ähnlichkeit zur FDP verunsichert viele, das wort freiheit benutzt ihr beide viel, ihr lasst euch ins links-rechts-schema nicht richtig einordnen, ist das eine absichtlich "liberale" abgrenzung von linken dogmen ?
warum disst ihr die FDP nicht deutlicher ?

Was unser Parteiprogramm angeht, dissen wir die FDP schon ziemlich
deutlich dafür, dass sie als sogenannte liberale Partei für
Lauschangriff, KfZ-Scanning, geplanten Verschärfungen der
Versammlungsgesetze und ähnliches mit verantwortlich ist.
Dass wir Piraten mit ihren sonstigen Steuersenkungsversprechen
ideologisch und inhaltlich nicht viel anfangen können, zeigt ja schon,
dass wir Piraten sind und nicht bei der FDP für Bürgerrechte kämpfen.
Übrigens kommt noch vor der Wahl ein ziemlich cooles FDP-Diss-Video
auf Youtube. Viel Spaß damit.

> wenn ihr so weitermacht, seid ihr in berlin in 2 jahren im abgeordnetenhaus und sicherlich in den bezirksverordnetenversammlungen.
internetgesetze werden wahrscheinlich nur auf bundesebene gemacht.
was könntet ihr in stadt- und landesparlamenten tun ?

Kampf für öffentliche Räume, für freie Infrastruktur und gegen
Monopolbildungen sind ja nicht nur Bundesthema. Und unsere Forderungen
nach einer transparenten, bürgerfreundlichen Verwaltung sind in den
Kommunen sogar besonders wichtig. Dass unsere Ideen und Ansätze auf
jeder Ebene erstrebenswert sind, sieht man auch daran, dass wir schon
sowohl in Aachen und Münster in den Stadtparlamenten sind, als auch
über Schweden bereits ins EU-Parlament gewählt wurden. Überall wurden
wir von den anderen Parlamentariern gleich umworben und haben dort
gute Möglichkeiten, für unsere Ziele zu kämpfen.

> glaubt ihr, dass ihr durch eine partei, die meinetwegen bei der nächsten wahl in den bundestag kommt, mehr einfluss habt auf die gesetzgebung, als wenn ihr euch ausserparlamentarisch organisiert ?

Definitiv. Während die Gründung der Partei zu ihren Kernthemen von
einigen sehr verwandten Gruppen wie CCC oder AK Vorrat bisher auch
eher skeptisch beäugt wurden, hat sich dies vor allem mit den
Entwicklungen um das Zensurgesetz im Sommer sehr stark gewendet.
Spätestens als alle Bedenken von Gruppen und Organisationen und sogar
des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages einfach zur Seite
gewischt wurden, hat sich gezeigt, dass es wichtig ist, dass wir eine
Partei haben, deren absolutes Kernthema der Schutz der Bürgerrechte und
der Kampf für freie Infrastrukturen ist. Viele von uns engagieren aber
nebenbei auch parallel noch in anderen Organisationen für gleiche oder
ähnliche Ziele.

> als künstler finde ich urheberschutz manchmal garnicht schlecht, wie kannst du mich von dessen abschaffung überzeugen ?

Die Abschaffung des Urheberrechts ist nicht Ziel der Piratenpartei. Im
Gegenteil wollen wir dieses sogar stärken, damit es wieder stärker dem
Urheber und nicht nur dem Verwerter - also zum Beispiel der
Musikindustrie - zu Gute kommt. Gerade im Bereich der Nutzung gibt es
jedoch Fehlentwicklungen, die vor allem daraus resultieren, dass die
Musikindustrie den Schritt hin zu neuen Verwertungsmethoden - wie der
Erfolg von Itunes auch zeigt - verpennt hat. Dass andere Branchen, die
innovativer waren, den Zielen der Piraten deutlich positiver gegenüber
stehen, zeigt die Umfrage auf dem Medienportal mediabiz, bei dem
Spielehändler die Piraten in einer internen Abstimmung die Piraten zur
stärksten Partei wählten.
Nochmal kurz zurück zu Musik und Film: Der Skandal ist ja zum einen,
dass im Urheberrecht explizit fesgelegt wurde, dass man Kultur zu
privaten Zwecken legal ausgetauscht werden darf. Das galt schon immer.
Nur plötzlich kommt die Musikindustrie, packt ihre DRM-Labels auf die
CDs und verstößt damit quasi gegen geltendes Recht bzw. macht ihre
eigenen Produkte minderwertig, da diese nicht mal mehr in allen
Playern laufen. Dann heißt es plötzlich, dass Benutzung von
Tauschbörsen illegal sein soll mit der unsinnigen Erklärung, dass dies
quasi gewerblich sei, obwohl es ja gratis ist. Das heißt, das Internet
wird hier von bestimmten Gruppen als Feind begriffen.
Dabei zeigen neueste Studien, dass Nutzer von Tauschbörsen sogar mehr
Geld für Musik ausgeben als der Durchschnitt.Der Hauptskandal ist
aber dabei, dass die Musikindustrie sich aus Hilflosigkeit an die
Regierung wendet und strengere Kontroll- und Regulationsmaßnahmen
fordert und dabei auch vor der Forderung nach Internetverbot bei
Urheberrechtsverstößen (Hadopi-Gesetz) nicht zurückschreckt. Damit
spielt sie natürlich konservativen Kräften in die Hände, die das
Internet als von ihnen nicht so leicht zu überschauendes und
kontrollierendes Medium sowieso schon skeptisch gegenüber stehen. Wenn
wir das Urheberrecht so ändern, dass die Musikindustrie gezwungen ist,
sich den Strukturveränderungen endlich zu stellen und sich neue
attraktive Geschäftsmodelle auszudenken, dann werden wir auch endlich
einen der zentralen Gründe für die vielen Zensurforderungen überwunden
haben. Dies erkannt zu haben, stellt auch einen zentralen Unterschied
zur FDP dar, die dieses Problem aus wirtschaftsfreundlichen Gründen
absichtlich ignoriert.
Mehr zu dem Thema gibt es auch hier:

> ihr hattet wegen 2 neuen mitgliedern ganz schnell die 2 schlimmsten stempel, die man aufgedrückt bekommen kann : kinderporno und holocaust-leugner. was kannst du dazu sagen ?

Dazu könnte man natürlich Romane schreiben. Wer einer Partei mit
vielen tausend Mitgliedern einen bestimmten Stempel aufdrückt aufgrund
von einzelnen Mitgliedern, der macht es sich zu einfach. Wichtig ist
doch, dass es zu jedem dieser Fälle und Vorwürfen immer eine
umfassende Debatte gab, bei der möglichst viele zu Wort kamen. Wir
haben länger und intensiver über die Kommentare des (bald ehemaligen)
Mitglieds Bodo Thießen aus dem Jahre 2003 diskutiert als die CDU in
Thüringen über den Tod der Skifahrerin durch die Fahrlässigkeit von
Dieter Althaus. Das zeigt, dass wir uns über solche Dinge viele
Gedanken machen und nicht versuchen, etwas unter einer Decke zu
verstecken. Die Vorwürfe, wir seien zu rechts, entstammen wohl
hauptsächlich linken Medien, die Ähnlichkeiten bei unseren Themen
sehen und enttäuscht sind, dass wir uns nicht als ausdrücklich links
positionieren wollen. Wir halten die Positionierungen in einem
eindimensionalen Spektrum aber für überholt. Unser Berliner
Landesverband ist mit seinen Forderungen nach Graffiti-Legalisierung
und Kampf gegen Media-Spree wohl deutlich seine links-progressiven
Neigungen gezeigt. Und alleine die Tatsache, dass wir eine weltweite
Bewegung sind und uns in unserer Satzung deutlich von rechtsextremen
und faschistischen Tendenzen lossagen, sollte überzeugen. Ansonsten
hilft nur, bei einem Piratenstammtisch vorbeizuschauen und die lokalen
Piraten kennenzulernen.

>es taucht jetzt oft das argument auf, dass eine stimme für die piraten eine verschenkte sei, bei dem versuch, schwarz gelb zu verhindern... wie zerstäubt ihr dieses argument ?

Ich perönlich würde dazu sagen: Wir Piraten glauben
an den mündigen Bürger. Wenn dieser der Meinung ist, dass seine Stimme
bei einer anderen Partei gut aufgehoben ist und dies nicht wieder nur
eine kleinere Übel Wahl darstellt, dann ist das seine persönliche
Entscheidung, die wir respektieren.
Wenn all diejenigen, die daran zweifeln, dass die Piraten 5 %
erreichen können, die Piraten dennoch wählen würden, dann würden wir
vermutlich auch 5 % erreichen. Wenn man aber seinen Zweifeln nachgibt,
dann verhindert man damit ja vor allem, dass neue Parteien und neue
Ideen eine Chance bekommen.

> im sommer 2010 würden wir mit euch gerne endlich das matsch-duell der parteien auf der oberbaumbrücke austragen. meinst du, ihr seid ohne eure digitale rüstung ein ernstzunehmender gegner ? welche waffen und welche munition würdest du mitbringen ?

Keyboards und Mäuse. Das ist einer Killerspielpartei würdig und deckt
auch gleich auch noch jedes Klischee mit ab.